Nach zahlreichen Schilderungen von Jessi über Afrikas
wunderbare Perle, habe heute ich die Ehre, meine Eindrücke zu schildern.
Leichter gesagt als getan! Auf den ersten Blick sind wir ins Paradies gereist:
Sonne, gut gelaunte, freundliche Menschen, leckere, saftige Früchte, ein
klarer, riesiger See, eine wunderschöne, vielfältige Landschaft, strahlende
Kinderaugen und lachende, fröhliche Gesichter. Willkommen in Entebbe.
Willkommen in Uganda. Willkommen im Malayaka Haus.
Vor uns lagen 12 Tage im toll organisierten Waisenhaus. Viel
zu wenige, wenn ich ehrlich bin. Dessen wird man sich allerdings erst bewusst,
wenn man angekommen ist. Und das ist man definitiv nicht am ersten Tag. Es
braucht Zeit, um zu begreifen, wie magisch der Ort eigentlich ist. Tragische Schicksalsschläge
werden durch bedeutende Augenblicke und besondere Momente ersetzt. Auf den
ersten Blick. Auf den zweiten oder vielleicht dritten realisiert man, dass hinter jedem Lachen, hinter jedem
Versuch, die Aufmerksamkeit von uns Aunties oder den Uncles zu erhaschen,
hinter der Freude über Mitbringsel oder dem wilden Herumgerenne viele
individuelle Schicksale stecken, die man nach zwei Wochen absolut nicht zu
durchschauen vermag. Ob man es überhaupt verstehen kann, ob sich die Kinder und
Jugendlichen jemals gegenüber uns öffnen würden, ob sie es selbst realisieren
und oft darüber nachdenken? Für mich bleibt vieles ungeklärt.
Zurück zur Magie. Zurück zum Malayaka Haus. Zurück zu 80
strahlenden Kinderaugen. Zurück zu einem wunderbaren Ort der Geborgenheit, der
Lebensfreude, der Menschenliebe, des Zusammenhalts. Neben zehn Hunden, einigen
Katzen, zwei Schweinen, zig Hühnern und wechselnden Volontären leben hier an
die 40 Kinder im Alter von vermutlich einem bis hin zu siebzehn Jahren. Betreut
werden diese von fünf ugandischen Aunties, die sich liebevoll um sie kümmern,
Essen zubereiten, die Hausaufgaben betreuen, kochen, waschen, bügeln, putzen, …
. Unterstützung erhalten sie von Freiwilligen unterschiedlicher Herkunft.
Während wir hier waren, traf man auf eine Italienerin, einen Spanier, eine
Amerikanerin und drei Deutsche. Manche verbringen, wie ich, zum ersten Mal Zeit
im Malayaka Haus, andere kommen immer und immer wieder. Gefesselt und
begeistert vom magischen Ort.
Nach einem langen Flug wurden wir am Flughafen abgeholt und
mitten in der Nacht zu diesem schönen Flecken in Lunyo, einem von Entebbes
Stadtteilen nahe Entebbe Town, dem Stadtzentrum, gebracht. Roter Sand führte
uns vor die Tore des Waisenhauses. Jessis Augen begannen zu strahlen. Die
Vorfreude stieg – obwohl wir wussten, dass die Kinder schlafen und niemand
unsere Ankunft bemerken würde. Nach einer ruhigen Nacht wurde es ernst: Würden
die Kinder ihr „Auntie Jessca“ sofort wiedererkennten? Zwei Jahre sind eine
lange Zeit und viele Kinder waren 2013, als Jessi mit Auntie Pia zu Besuch war,
noch sehr jung… . Aufgeregt zogen wir uns an und öffneten unsere Türe. Vor dem
Guest House, in dem wir unterkommen, frühstückte Uncle Leo, der dritte
Freiwillige aus Deutschland, und unterhielt sich mit Johnny, einem vielleicht
neun- oder zehnjährigen Jungen. Ein Blick in unsere Richtung. Ein zweiter…
„AUNTIE JESSI!!!!!“ Ein Moment, den ich niemals vergessen werde. Erleichterung
in meinen Augen, Begeisterung in seinen und absolute Glückseligkeit in den
Augen meiner besten Freundin. Magisch! Einfach wunderschön. Nach einiger langen
Umarmung rannte der Kleine aufgebracht zu den anderen Kindern, die uns alle
herzlich begrüßten und sich riesig darüber freuten, ihre liebe Auntie
wiederzusehen: „AUNTIE!! YOU CAME BACK!!“ :)
Jessis Plan, mich langsam herumzuführen und mir alles nach
und nach zu zeigen, scheiterte sofort. Jede von uns hatte an jeder Hand ein
Kind und wurde über die gesamte Anlage geführt. Alles wurde stolz präsentiert.
Vieles hatte sich verändert, nichts hatte ich mir auch nur im Ansatz so
vorstellen können, wie ich es vorfand. Liebevoll gestaltete Wände, Beete hinter
den Häusern, eine tolle Library, in der die Kinder ihre Hausaufgaben machen
oder lesen können, zwei Küchen, ein Esszimmer, die Feuerstelle, der Pizzaofen,
ein Spielplatz, die Zimmer der Kinder und und und… . Wow! Mittlerweile besteht
die Einrichtung aus vier bewohnten oder bewohnbaren Häusern und diversen Hütten
oder Anbauten. Eines teilen sich die kleineren Kinder bis circa 13 oder 14
Jahren mit den großen Jungs, eines die älteren Mädels mit dem Craft Shop, in
dem allerlei Stoffe verarbeitet werden. Das dritte Haus bewohnen die Volontäre,
im vierten findet man die Library. Draußen tummeln sich die Hunde und Katzen,
einige Helfer, die die Anlage pflegen und die Aunties, die ihren täglichen
Aufgaben nachgehen.
Nach unserer Tour durch das Malayaka Haus ging es turbulent
weiter: Ab in den Zoo. Im Schulbus fuhr uns Leo in die nahegelegene Anlage.
Selbstverständlich entsprach die Fahrt nicht unseren deutschen
Sicherheitsansprüchen. Das würde hier aber auch nicht funktionieren,
schließlich ist es Luxus, sich die Plätze nicht teilen zu müssen und
komfortabel zu sitzen. Diesen Luxus, der für uns selbstverständlich ist, kann
man sich hier nicht leisten. Nachvollziehbar, finde ich. Bislang wurde für
diese Fahrten ein deutlich kleineres Auto verwendet, mit dem uns Leo auch
abholte, weil das große leider nicht mehr fahrtauglich war. Trotz einiger
fehlender Sitzplätze kamen auch in diesem Auto alle unter. Die großen Kinder
und Aunties nahmen die kleineren auf den Schoß und jeder achtete auf den
anderen. Schön, diesen Zusammenhalt zu beobachten. Nicht ein Murren, kein
Geschrei, kein Gezicke. Ungewöhnlich, wenn ich an die Welt, in der ich
aufgewachsen bin, denke. Ein Perspektivenwechsel.
Dieser vollkommen andere Umgang mit alltäglichen Situationen
lässt sich auch in vielen anderen Momenten erkennen. Er hat mein Bild vom
Malayaka Haus und Uganda geprägt:
- Stellt euch vor, einer eurer Freunde hat eine
Packung Smarties. Er bietet euch diese an, ihr nehmt gerne an. Man schüttet
euch die Smarties in die Hand. Was tut ihr? Vermutlich schüttet ihr diese
sogleich in den Mund. So mache ich das, wenn ich ehrlich bin, jedes Mal. :) Dieselbe Situation,
dieselbe Smartiepackung – im Malayaka Haus. Noch nie habe ich gesehen, dass
jede einzelne Linse analysiert wird, aufgebissen und das Innere erkundet wird.
Es wird abgeleckt und beobachtet, wie sich die Farbe ändert. Sie werden in der
Sonne geschmolzen und von der Hand abgeleckt. Sie werden in Wasser gebadet und genüsslich
gegessen. Einfach süß.
- Eine andere schöne Situation ereignete sich nach
der Schule. Einer der größeren Jungs stieg aus dem Schulbus aus, kam zu den
kleineren gelaufen, öffnete seine Schultasche und holte erst ein Pausenbrot,
dann eine kleine Tüte Kakao und eine Packung Kekse (er hatte alles vermutlich
in der Schule erhalten) heraus. Dann teilte er alles, auch die Trinkschokolade,
mit den kleineren Kindern. Niemand wurde vergessen, alles wurde gerecht
geteilt.
- Selbstverständlich ist hier nicht nur das
Teilen, sondern auch für den Abwasch oder das Reinigen der Kleider in großen
Waschkübeln verantwortlich zu sein. Auch hier gilt: Kein Gezicke, kein
Gejammer, kein Genörgel.
- Was mich seit dem ersten Tag beschäftigt, ist der Schlafsaal der jüngeren Kinder. 18 Malayaka Kids schlafen hier zusammen mit zwei Aunties (es wird sich täglich abgewechselt, wer über Nacht bleibt, da die Ugandischen Aunties schließlich alle selbst Familien haben). 14 Betten sind als sechs Stockbetten auf ca. 25 Quadratmeter verteilt. Ein in der Ecke stehender Eimer dient als Toilette und wird von allen Kindern, die nachts aufs Klo müssen, verwendet. Ob er abgedeckt wird, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Das Zimmer hat keine Tür und führt direkt ins Treppenhaus.
Zufriedenheit. Das Stichwort, auf
das ich mich gerne weiterhin beziehen würde. Könnt ihr euch vorstellen, Urlaub
zu nehmen und zufrieden zu sein, wenn ihr bis nachts wach seid, um für andere
zu backen und morgens um 6:20 Uhr aufzustehen, um das Frühstück zu servieren?
Wenn es euch Spaß macht, täglich unterschiedlichste Hausaufgaben zu betreuen?
Ich kann euch sagen: Es gibt nichts Erfüllenderes. Jeder noch so kleinen
Selbstverständlichkeit wird mit Dank begegnet. Jeder Aktivität wird gerne
nachgegangen. Jeder Tag ist vollgepackt und einfach nur schön. Für meine liebe
Jessi, die das niemals so ausführlich schreiben würde und mich gerade auch
darum gebeten hat, diese Passage zu löschen :),
gehört das zum Malayaka Alltag. Für sie ist es selbstverständlich. Sie würde
sich nicht damit hervorheben wollen. Ihre Hilfsbereitschaft und Begeisterung
sind beeindruckend. Und steckt an. Schnell wurde ich ein Teil des Malayaka
Lebens. Auntie Sandra. Angeleitet von Jessis vielen Ideen und voller Tatendrang
gestalteten wir viele Nachmittage für die Kids. Auch beim Frühstück konnten wir
ihnen eine Freude bereiten. Nehmt teil an unserem täglichen Programm und taucht
ein in unsere Malayaka Welt.
Frühstück:
Statt Porridge oder Popcorn gab es so an jedem zweiten Tag eine süße Kostbarkeit. Die vielen Spenden aus Deutschland verarbeiteten wir zu leckeren bunten Muffins, selbstgemachtem Hefezopf oder schmierten den Kindern die geliebten Marmeladentoasts – selbstverständlich mit vielen bunten Streuseln dekoriert, auf die die Kinder ganz besonders abfahren. Alles wurde ab 6:30 Uhr verteilt, sodass auch die großen Mädels einen süßen Start in den Tag hatten.
Nach dem Frühstück blieb uns
etwas Zeit für uns, die wir „Fruitgetarier“ für unser Frühstück (unfassbar, wie
lecker die Früchte hier sind!!!), etwas Sport, Besorgungen für das weitere
Programm (wir waren in den kleinen, lokalen Shops sehr gern gesehene Gäste:
„Thank you for your support!“) oder Sonstiges nutzten. Hervorheben möchte ich
die Fahrten auf den Motorrollern – den beliebtesten Fortbewegungsmitteln, den
„BodaBoda“. Zu dritt (der Fahrer, Jessi, ich) auf einem Rad durch die
Landschaft zu düsen, die Sonne und den angenehmen Fahrtwind zu spüren, ist
jedes Mal ein besonderes schöner Moment.
Nachmittagsprogramm:
Specials:
Um den Alltag etwas zu entfliehen
und den Kindern etwas Besonderes zu bieten, organisierten wir - dank diverser Spenden – einige besondere
Programmpunkte oder nahmen an den bereits etablierten, wie der „Movienight in
einer nahgelegenen Bar für die größeren Mädels, teil. Auch bildete ein von
Uncle Tony organisierter Ausflug zum Fußballfeld ein Highlight für die Malayaka
Kids. Trotz der Niederlange unseres Teams war die gemeinsame Freude über beide
Tore riesig (sobald wir wieder in Deutschland sind, muss ich unbedingt ein
Video des Torjubels hochladen – das kann man sich echt nur vorstellen, wenn man
es gesehen hat :) ).
Mit dem anschließenden Barbecue wurde der Tag abgerundet. Auntie Jessi und ich
bereiteten mit Hilfe von ein paar Kids das Essen zu, die großen Mädels halfen
uns beim Verteilen. Alle hatten einen tollen Abend voller Tanz, Gesang, Lachen
und absoluter Glückseligkeit.
Da sich die großen Mädels zu
erfolgreichen Rugbyspielerinnen entwickelt hatten, besuchten wir eine ihrer
Trainingseinheiten. Leider wurde der Platz auch von Fußballspielern
beansprucht, sodass ich nicht in den Genuss ihrer Skills kam. Schade!
Gemeinsame Zeit mit ihnen fanden wir auch an einem der letzten Abende, an dem
wir zusammen saßen und bastelten, sangen, lachten und die Zeit genossen. Das
Ergebnis werdet ihr hoffentlich bald zu Gesicht bekommen.
Nun liegen noch 1,5 Tage im
Malayaka Haus vor uns. Jessi und ich verbrachten zwei Nächte auf einer der
Ssese Islands und genossen Ugandas wunderschöne Natur und Zeit nur für uns
beide. Ich bin gespannt, was uns zurück in Entebbe erwartet und bin definitiv
noch nicht bereit für die Heimreise nach Deutschland. Die Reise in Jessis
afrikanische Perle hat sich definitiv gelohnt. Sie hat Eindruck hinterlassen
und zum Nachdenken angeregt. Sie hat mich angeregt, anders über Alltägliches
nachzudenken und hat mich am Zauber des Malayaka Hauses teilhaben lassen. Ich
habe miterlebt, dass jeder Euro ankommt und definitiv Verwendung findet. Sei es
beim Neubau des Spielplatzes für die Kinder, das tägliche Essen, Wasser, Benzin
für den Schulbus oder das Schulgeld. Ich habe erleben können, wie man sich über
jedes mitgebrachte Kleidungsstück, den Schmuck, die Schminke oder die
Backzutaten gefreut hat. Ich habe die Dankbarkeit und Lebensfreude der Kinder
und Aunties gespürt.
Danke Malayaka Haus. Danke
Entebbe. Danke Uganda. Danke, an meine beste Freundin. Auf Wiedersehen. Und das
meine ich auch so.
| Mwebalenyo = Dankeschön |